Το ανάγλυφο της Ικαρίας

Part of : Αρχαιολογικά ανάλεκτα εξ Αθηνών ; Vol.IX, No.1, 1976, pages 108-119

Issue:
Pages:
108-119
Parallel Title:
Zur deutung des ikariareliefs
Section Title:
Σύμμεικτα
Abstract:
Die traurige Pflicht, N. Kontoleons wissenschaftlichen Beitrag in einem Nachruf auf den unerwartet gestorbenen Gelehrten zusammenzufassen, hat den Unterzeichneten zu einigen Bemerkungen über die Deutung des Ikariareliefs geführt, die in der schon lebhaften Debatte um das Thema von Nutzen sein könnten.Kontoleons Interpretation1 zufolge werden auf der breiten Grabstele aus Ikaria ( A b b. 1 ) Kinder einer kindersegnenden Göttin vorgeführt ( έπντε- λειώσεις παίδων ). Es handle sich also, wie üblich in den griechischen Grabszenen, um die Darstellung eines feierlichen Augenblickes aus dem Leben des Verstorbenen, in dem Falle aus dem kurzen Leben der toten Kinder. Dieser Deutungsversuch hat heftige Kritik seitens H. Rühfel2 und H. Hiller 3 erfahren, deren Schwerpunkte Kontoleon noch kurz vor seinem Tode widerlegen konnte4. Dabei kannte er aber nur indirekt und generell die Argumentation der damals noch nicht erschienenen Arbeit von H. Hiller5. Man muss m. E. dieser eher allzuhastigen Ablehnung von Kontoleons Meinung gegenüber heute noch sehr skeptisch bleiben, zumal wenn sich die positiven Indizien beeindruckend vermehren lassen:1. Gegen den Einwand, auf einem griechischen Grabrelief trete nie eine Gottheit auf und die Intimität der Szene mache ein Beisammensein von Göttern und Menschen unwahrscheinlich6, hat bereits Kontoleon richtig bemerkt, dass die Darstellung in der Tat ein reales, jedoch religiös - visionäres Erlebnis des Toten im Relief wiedergibt, das aus dem täglichen Leben eben nicht auszu- schliessen ist7. Diese von ihm erkannte neue Art von Lebensszenen lässt sich aber am besten sowohl in der schriftlichen Tradition wie auch in den Denkmälern dokumentieren, so dass weder die Annahme einer Gottheit noch die Intimität der Szene auf dem Ikariarelief befremden kann.Die Wundergeschichte, die von der Mutter des Demaratos, Gattin des Spartanerkönigs Ariston erzählt wird8, verdeutlicht am lebendigsten diese « tatsächlichen », ganz dem Bereich des menschlichen Lebens angehörenden Erlebnisse der alten Griechen : Das hässliche Mädchen wird von der Amme zum Heiligtum der Kurotrophos Helena gebracht und neben die Statue der Göttin gestellt, um von der Hässlichkeit befreit zu werden. Die Göttin erscheint sofort in einer Vision und καταψώσα του παιδιού τήν κεφαλήν — genau also die vertraute Geste, die wir auf dem der Ika- riastele verwandten Anavysos - fragment9 sehen ! — beschenkt es mit unvergleichlicher Schönheit und Fruchtbarkeit und vervollständigt es somit ( έπιτελείωσις ) zur Frau.Inzwischen sind allerdings auch andere Denkmäler ähnlich interpretiert worden. Das spätkorinthische Alaba- stron Staatl. Museen zu Berlin ( West ) V.I. 4285, bei Rühfel als Fall des “ in die menschliche Sphäre übertragenen Themas ' Frau und Kind ’ ” angesehen10, gehört eher zu einer Darstellungsgruppe, die genau als Kindersegen seitens einer Kurotrophos, Artemis oder Demeter, erklärt wird11, wobei nicht zu übersehen ist, dass “ les déesses sont toujours assises sur un thrône sans dossier, semblable à un diphros”, also auch hier der lehnenlose Thron nicht entscheidend für das Frauengemach, wie bei Rühfel12 angenommen, zu sein scheint.Gerade die Kinderdarstellungen auf den Choenkänchen, die Rühfel als verblüffend ähnlich mit dem Kleinen auf der Ikariastele anführt, um die Kontoleons Deutung widerlegende Intimität der Szene zu zeigen13, kennzeichnen einen Bildkreis, der Kinder bei festgelegten Segensriten ( “ confirmatio ” ) am häuslichen Altar darstellt und Phantasie mit Wirklichkeit des öfteren mischt14. Entspricht nicht die Intimität, welche die Spannung zwischen Athena Kurotrophos und der auf der Säule stehenden Kinderfigur des Chous vom Trophäenmaler im Louvre15 beherrscht, genau der Stimmung auf der Ikariastele ( A b b. 1-2).Auch der Gebrauch dieser Szenen in Zusammenhang mit dem Grab und im gleichen Sinne wie auf dem Ikariarelief kann deutlich belegt werden : Welch ein Unterschied sollte zwischen der έπιτε- λείωσις des Ikariareliefs und der Darstellung eines Chous und einer Lutro- phoros auf der Grabstele der Brüder So- simenes und Sokrates16 bestehen, die entsprechend vor ihrem Choen- und Ehetag starben ? S. Karousou17 hat ferner in der Publikation eines Chous mit der Darstellung von über dreijahre alten Kindern gezeigt, dass es sich hierbei um eine Anspielung auf das glücklichste Erlebnis eines kurzen Lebens, die Cho- enkonfirmation eines wenig später gestorbenen Kindes, handelt. Ist das nicht das genaue Gegenstück zur Kontoleons Interpretation des Ikariareliefs? 2. Dass die Tauropolos von Ikaria eher einen finsteren Charakter hatte und darum der Brauronia Artemis nicht gleichgesetzt oder im Allgemeinen nicht als eine Kurotrophos betrachtet werden konnte18, kann heute, nach den Grabungen in Brauron und im Hinblick auf den ausführlichen Kommentar von J. Kon- tis 19, kaum als Argument dienen gegen die Benennung der sitzenden Gestalt auf dem Ikariarelief als Artemis Kurotrophos. Es ist übrigens auch religionsgeschichtlich bewiesen20, dass finstere oder wohltuende göttliche Wirkung nur Aspekte des lebensegnenden Hieros - Gamos -Vorganges sind, so dass die Kurotrophos - Eigenschaft kaum von jener der Tauropolos zu trennen ist. Abgesehen von vielen anderen Beispielen sei nur an die dunkle und gleichzeitig kindersegnende Seite der oben erwähnten Anthe- sterien erinnert21.3. Als Hauptargument für die Umdeutung der Figuren auf der Stele wird besonders bei Hiller22 die Stelle der Inschrift mit den Namen von Koiranos, Eurymedes und Apollonia über den Köpfen der beiden bekleideten Männer betrachtet : Die Schwierigkeiten, die eine ausschliessliche Identifikation der Personen aufgrund der Inschriftenstelle mit sich bringt, vergegenwärtigt die Unsicherheit um die Deutung des Males von Sosias und Kephisodoros23. Wie würden wir wohl die ganz zweitrangige Stelle des Namens von Dermys auf der Seitenfläche der Basis des bekannten böotischen Monuments24 erklären, wenn beide Namen nicht ein zweites Mal in den Reliefgrund neben den Figuren gemeisselt wären ?4. Schliesslich noch einiges über die Ammen, die Kontoleon im Bildmotiv “ Frau mit Kind auf dem Schoss ” zu sehen glaubte ; bei Hiller25 heisst es, diese Meinung stütze sich auf Argumente, die unschwer zu widerlegen seien:a. Die Stele der Ampharete ist kein schlichtes Familienbild. Bei der Bewertung dieser Szene entgeht wohl Hiller eine seit der antiken Zeit bis heute gültige Selbstverständlichkeit in der griechischen Gesellschaft, die in der Grossmutter die natürliche Amme der Kinder sieht und findet. In dieser Rolle wird Ampharete sowohl im Bilde, wie auch im Epigramm verherrlicht, b. Kontoleon identifiziert ferner die Kopftracht der klassisch - thessalischen Beispiele nicht mit dem späteren Kopftuch der Ammen, er vergleicht sie nur. Der “ hochgezogene Mantel”—so Hiller26—dieser Beispiele ist übrigens nicht “deutlichzu erkennen”. Die Beschreibung von Biesantz : “ Chiton - Schleier27” leuchtet vielmehr ein. c. Langes Haar bei den Frauen spricht nicht unbedingt gegen die Ammendeutung. Die Ammen ( ? ) auf den Lutro- phoren tragen kurzes Haar eher als κούριμοι, als Klagende28, und auf den Ammen - Stelen sowie auf den Vasen lässt sich eben keine feste Regel für die Haarlänge aufstellen : Pyraichme,( A b b. 3 ), die χρηστή τίττη29, hat z.B. langes Haar, und dies ist auch der Fall bei der Amme der Hydria in der Sammlung D.M. Robinson ( um 430 vor Chr. ), deren Verwandtschaft mit der Grabreliefkunst unterstrichen wird (Abb. 4 )30.
Subject:
Subject (LC):
Keywords:
επιτύμβιες στήλες, Ικαρία
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